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  • Archäologische Ausgrabungen des Ostriv und ihre Teilnehmer, August 2022

Archäologen starten mit deutsch-ukrainischem Grabungsprojekt

Am Fundplatz gefundener bronzener Armreif

Denn wenn sich die Arbeitshypothesen des deutsch-ukrainischen Teams bestätigen, haben die Expert*innen dort eine wissenschaftliche Sensation entdeckt: Anhand der Funde aus dem 11. Jahrhundert könnte sich belegen lassen, dass baltische Migrant*innen an der Südgrenze des Kiewer Reichs zur Grenzsicherung gegen Reitervölker aus den Steppen eingesetzt wurden. Diese Aufgabe konnte damals durchaus mit Prestige verbunden sein. Bisher gab es dazu nur schriftliche Quellen, die jetzt anhand der Funde neu bewertet werden können. „Wir erfahren ganz viel über ethnische Probleme, über Fremde in unterschiedlichen Gesellschaften und über deren Integration. Themen, die uns auch heute beschäftigen“, sagt Jens Schneeweiß.

Im Oktober 2017 entdeckten Forscher*innen des Kiewer Archäologischen Instituts zwischen den Siedlungen Ostriv und Pugačivka das mittelalterliche Gräberfeld mit Körperbestattungen, das als eine der wichtigsten Entdeckungen in der postsowjetischen ukrainischen Archäologie zu bezeichnen ist. Eine daraufhin unternommene Pilotstudie, an der das ZBSA maßgeblich beteiligt war, hatte bereits Erfolg. Kernziel des jetzt gestarteten Vorhabens, an dem aus Schleswig-Holstein auch die Christian-Albrechts-Universität Kiel beteiligt ist, ist die Klärung der historischen Umstände der auf dem Gräberfeld von Ostriv nachgewiesenen Verbindungen ins Baltikum und der Rolle der Migrant*innen bei der Sicherung der Grenze der Rus’.

Dr. Roman Shiroukhov (ZBSA), einer der Initiatoren der Ostriv-Pilotstudie, koordiniert die Forschungen auf deutscher Seite und im Baltikum. Das interdisziplinäre Vorhaben verbindet zahlreiche zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhandene Methoden und Verfahren: archäologische Feldforschung, typochronologische, historische und historiographische Untersuchungen, anthropologische und aDNA-Analysen, Radiokarbondatierungen sowie weitere naturwissenschaftliche Analysen.

Freilich hat sich die Planung und die Art der internationalen Zusammenarbeit anders gestaltet, als es sich die Initiator*innen einmal vorgestellt hatten. Zurzeit ist es unmöglich für die deutschen Wissenschaftler*innen, in die Ukraine zu reisen und dort gemeinsam mit dem ukrainischen Team zu graben. Und die ukrainischen Kolleg*innen ihrerseits dürfen wegen ihrer Wehrfähigkeit nicht ihr Land verlassen. Sie haben nun zwar mit deutscher Unterstützung, aber allein vor Ort mit den Ausgrabungen begonnen; die internationale Beteiligung und gemeinsame Auswertung findet mit digitaler Kommunikation statt.

Das Gräberfeld in der Zentralukraine liege in einem Gebiet, in dem zurzeit nicht gekämpft wird. „Unsere ukrainischen Kollegen können besser als wir entscheiden, ob Grabungen möglich sind und würden sich nicht in Gefahr bringen.“ Jens Schneeweiß unterstreicht die wissenschaftspolitische Verantwortung archäologischer Forschung: „Die wissenschaftliche Kooperation erhält in unsicheren und Krisenzeiten eine zusätzliche kulturpolitische Relevanz, derer wir uns voll und ganz bewusst sind.“

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