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  • Die Teilnehmer der Konferenz

Wikinger! Wikinger? 

Sie stehen im Mittelpunkt von Kinofilmen und Serien, liefern Quotenhits. Sie sind in verschiedenen Wissenschaftsbereichen omnipräsent, sorgen für spektakuläre Forschungsergebnisse der Archäologie – die Wikinger. Das Museum für Archäologie Schloss Gottorf und das Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie haben das zum Anlass genommen, am 5. und 6. Oktober 2022 auf der Schleswiger Museumsinsel zu einer nicht öffentlichen wissenschaftlichen Fachtagung einzuladen. Der Titel: ”Wikinger! Wikinger?”. Das Ziel: eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wikingerbegriff. Teilgenommen haben mehr als 20 Referent*innen aus Europa und Nordamerika. Wir haben über dieses spannende Thema mit Dr. Volker Hilberg gesprochen.

Herr Dr. Hilberg, die Wikinger sind in vieler Munde, um nicht zu sagen omnipräsent. Was fasziniert viele Menschen so sehr an den Wikingern?
Sie verbinden mit Wikingern Vorstellungen von edlen und heidnischen Kriegern und Kriegerinnen, von mutigen Seefahrern und Entdeckern, aber auch von gerissenen Händlern und hochspezialisierten Kunsthandwerkern, die phantastische Werke schufen. Um es auf den Punkt zu bringen: Wikinger gelten als heldenhafte Abenteurer.

Sie haben ja bewusst von Vorstellungen gesprochen, dem Bild, welches viele von uns von den Wikingern haben. Wo hat dieses Bild seinen Ursprung?
Geprägt hat dieses Bild nicht zuletzt die Wissenschaft selbst. Genauer gesagt ist es im 19. Jahrhundert entstanden, als sich viele Nationalstaaten gebildet haben. Das war auch in Skandinavien so, gleichzeitig berief man sich aber auf gemeinsame Vorfahren – unerschrocken und furchtlos, Seefahrer und Entdecker... Gefestigt hat sich das Bild von den Wikingern als einem Volk oder einer ethnischen Gemeinschaft auch dadurch sehr stark, dass sie eine gemeinsame Sprache hatten – die altnordische Sprache.

Heute geht die Wissenschaft viel reflektierter mit dem Thema um...
Ja, richtig. Nach jahrhundertelanger Forschung ist unser Wissen differenzierter und es ist klar, dass die Wikinger kein Volk oder Stamm waren. Auch der Umgang mit dem Begriff ”Wikinger” ist bewusster. Ich würde heute eher von den Skandinaviern der Wikingerzeit sprechen oder auch von den Skandinaviern des frühen Mittelalters, damit meine ich die Zeit zwischen dem Ende des weströmischen Reiches und dem Beginn des Hochmittelalters im 12. Jahrhundert.

Welches Ziel verfolgen Sie mit der Tagung?
Es geht darum, die kritische Auseinandersetzung mit den ”Wikingern” in den Fokus zu rücken und dadurch weiter zu befördern. Dabei dreht es sich schon lange nicht mehr nur um die Frage, ob die Wikinger ein Volk waren oder nicht. In diesem Kontext spielen diverse andere Dinge eine Rolle.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel wird der Beginn der Wikingerzeit gemeinhin mit dem Angriff auf das Kloster Lindisfarne in England im Jahr 793 terminiert. Plünderungszüge und Überfälle, die man insbesondere den „Wikingern“ zuschreibt, hat es jedoch bereits viel früher gegeben. Auch der für die Wikingerzeit als so charakteristisch angesehene Fernhandel lässt sich immer früher ansetzen, er ist mittlerweile während des ganzen 8. Jahrhunderts nachweisbar.

Als Ende dieser Ära gilt oftmals der Tod des norwegischen Königs Harald Hardrada in der Schlacht von Stamford Bridge im Jahr 1066. Harald Hardrada war jedoch ein christlicher Herrscher, kein heidnischer, der in jungen Jahren aus Norwegen fliehen musste und sich in ganz anderen Kulturkreisen Macht und Reichtum erkämpfte, ehe er nach Skandinavien zurückkehrte. Da stellt sich schon die Frage, ob mit seiner Person und folglich mit seinem Tod wirklich das Ende der Wikingerzeit verbunden werden sollte. Dänische Könige versuchten auch später noch – etwa 1069 und 1085 – England zu erobern.

Nun versucht man ja immer historische Ereignisse und vergangene Zeiten zu terminieren und zu definieren…
Da gebe ich Ihnen recht. Aber gerade über die Wikingerzeit wird sehr viel geforscht und mit unserem zunehmenden Wissen, gilt es Zeiträume, Territorien und andere Dinge differenzierter zu bewerten. Es gibt kein Volk der Wikinger, nicht mal einen völlig homogenen Kulturkreis. Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele regionale Unterschiede.

Gibt es auch gegenteilige Forschungsbemühungen?
Gegenteilig würde ich es nicht nennen. Aber es gibt Studien, die die Frage in den Mittelpunkt rücken, was die „Wikinger“ geeint hat. Ein ebenso spannender Bereich. Dazu gehört ein Projekt der Universität Kopenhagen, wo zig DNA-Proben von fast 500 menschlichen Überresten aus Gräbern jener Zeit entnommen worden sind, um nach genetischen Übereinstimmungen zu suchen. Etwas überspitzt formuliert, um nach einem Wikinger-Gen zu suchen. Das Ergebnis steht noch aus, aber bereits jetzt ist deutlich, dass es selbst innerhalb Skandinaviens merkliche genetische Unterschiede gab.

Was fasziniert Sie als Wissenschaftler persönlich an dieser Zeit?
Sie ist einfach sehr spannend. Es war eine Zeit des Übergang vom heidnischen zum christlichen Mittelalter. Sie war, allein aufgrund der vielen Kriege, von hoher Mobilität geprägt – und sie beschert uns Archäologen Funde hochwertiger Erzeugnisse. – Und alles, was in der damaligen Welt eine Rolle spielte, ist in Haithabu zu finden oder kann in Haithabu noch gefunden werden.

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